Spitzkehrenkönige

Pling, eine Nachricht im Facebook Messenger von jemandem, den ich nicht kenne. André aus einer Motorradgruppe fragt nach, ob wir mal zusammen eine Tour machen. Ich plane gerade für den kommenden Freitag einen Tagesausflug zum Stelvio und so schick‘ ich André die Route. Die Antwort ist knapp: „Passt! Also dann bis Freitag 9:00 Uhr an der coop Tankstelle in Landquart.“

 

Am Freitag Morgen wartet am Treffpunkt ein Mann in meinem Alter. Er fährt das gleiche Motorrad an dem die gleiche Lenkererhöhung wie bei mir montiert ist, er trägt fast den gleichen Motorradanzug, den gleichen Helm in einer anderen Farbe, die gleichen Handschuhe und die gleichen Stiefel wie ich. Ich schaue mich unsicher um, doch eine versteckte Kamera entdecke ich nicht. Bei Café Crème und Gipfeli stellt sich dann noch heraus, dass wir beide enge Kehren lieben und auch nichts gegen unbefestigte Wege haben. Das kann nur eine tolle Tour werden. 🙂

Auf geht’s über Chur in die Lenzerheide, doch statt der langen Geraden nach Lenz, nehmen wir die Nebenstrasse über Lain, Muldain und Zorten. Fahrtechnisch nicht unbedingt ein Höhepunkt, doch die Aussicht macht das wieder wett.

Schon eher ein Highlight könnte die „Expedition“ zu einer Neben-Nebenstrasse werden, die möglicherweise nicht asphaltiert ist. Und so freuen wir uns wie zwei Könige, als wir diese Piste dann tatsächlich finden.

Doch die Freude hält nicht lange an, denn nach weniger als 100m kommt wieder Asphalt. Nun gut, einen Versuch war es wert.

Die Albulaschlucht unterhalb von Bergün ist da schon wesentlich spektakulärer und dank der Sitzposition hat man vom Motorrad aus eine besonders gute Sicht. Sportwagenfahrer müssen sich hier mit einem Blick auf die Begrenzenungsmauer begnügen.

Ich mag den Albulapass. Die Strasse ist schmal und man kann in Ruhe den Blick auf die abenteuerliche Streckenführung der Räthischen Bahn geniessen, bevor man dann ganz oben durch eine grossartige Hochgebirgslandschaft kommt. Die Abfahrt ins Engadin wird dann dank einiger enger Spitzkehren endlich auch fahrerisch interessant.

Nach dem Forcola stärken wir uns in Livigno mit Pasta und Café für das Highlight des Tages. Nein, nicht der Stelvio, die engeren Kehren gibt es beim Abstecher zu den Torri di Fraele. Wer es noch nicht weiss: Zwischen dem Passo di Foscagno und Bormio gibt es auf der linken Talseite ein Spitzkehrenparadies ohne Stau, fast ohne Verkehr, aber auch ohne Bratwurst mit Sauerkraut oder Jahrmarktsstimmung.

Eigentlich könnte es nun entspannt zum Stilfsterjoch weitergehen, aber spätestens ab Bormio steigt Nervosität in mir auf. Gibt es Spass in den Kehren oder gibt es Verkehrshindernisse? Die Nervosität erweist sich als unbegründet und wir erreichen atemlos und voller Adrenalin die Mutter aller Pässe. Jahrmarkt auf über 2’700m. Jeder möchte hin, aber die wenigsten Auto- und Motorradfahrer sind den Anforderungen wirklich gewachsen. Die Ostrampe ist legendär wegen ihrer 48 Kehren, doch meiner Ansicht nach langweilig. Mein Favorit ist die Westrampe mit nur 34 Spitzkehren. Die folgen allerdings meist in sehr kurzen Abständen aufeinander, man fühlt sich wie in einem Treppenhaus und hier trennt sich die Spreu vom Weizen.

Statt der langweiligen Kehren in Richtung Stilfs nehmen wir auf dem Rückweg lieber die anspruchsvollen Kurven des Umbrail mit. Hier stärken wir uns nochmal mit einem z’Vieri mit Panoramablick bevor es dann über den Opfenpass wieder ins Engadin geht. Den krönenden Abschluss eines aufregenden Tages markiert der Flüelapass, einer meiner Lieblinge mit einer excellenten Strasse durch eine grossartige Landschaft.

Obwohl ich genau diese Tour schon sehr oft gefahren bin, war sie dieses mal zusammen mit André besonders schön – weil wir eben beide Spitzkehrenkönige sind.


2 Kommentare zu „Spitzkehrenkönige

  1. Hallo Armin , Ich kenne diese strecke ist super ,aber diese Jahr ich bin gegangen nach den Torre fi Fraelle bis am Passo di Fraele. Ist Ganz am ende die 2 Kleine see (lago di cancano und lago di San giacomo) wann die asfalt fertig ist kannst Du links abbiegen über eine Sehr schön „e-bike piste“ auch befahrbar mit Auto . Ist super strecke.
    Grüsse
    Manuel Nunes

    1. Hallo Manuel,

      die beiden Seen kenne ich natürlich und ursprünglich wollten wir dort auch eine Runde drehen, aber leider hat die Zeit dazu nicht gereicht.

      Gruss
      Armin

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